Schon seit längerer Zeit wollte ich am Wipperdurchbruch die Hybride von Orchis ustulata und Orchis tridentata (neuerdings Neotinea) suchen.
Endlich passte es bei mir zeitlich mit dem Ausflug. Das Pfingstwochenende war für diese Tour wie geschaffen.
Eigentlich wollte ich direkt nach Thüringen fahren und im Anschluss noch ein bisschen nach Sachsen-Anhalt, aber in Nordhessen fanden zu der Zeit interessante Exkursionen statt, die ich auch besuchen wollte und so bin ich dann Freitag nachmittags zunächst nach Osthessen aufgebrochen. Sachsen-Anhalt läuft ja nicht weg.
Ich hatte mich für einen Zwischenstop in Schlüchtern entschieden. Das Wetter war sehr speziell. Die Eisheiligen hatten nicht nur Kälte, sondern auch Gewitter im Gepäck und es regnete teilweise sehr heftig.
Bergwinkel
Zusammen mit Mathias besuchte ich spannende Biotope im Bergwinkel in der Umgebung von Schlüchtern. Besonders interessierten mich die Übergangsformen des Mannsknabenkrauts (Orchis mascula und Orchis signifera). Es fällt aus meiner Sicht schwer, in Osthessen Grenzen zwischen den Unterarten zu ziehen. Ich hätte daraus in meiner Naivität jetzt keine Unterarten, sondern eher Varianten gemacht.
Natürlich kann man es im Bergwinkel kaum vermeiden, noch andere Arten zu sehen. Mathias zeigte mir unter anderem auch noch besonders schöne Cephalanthera damasonium. Spät am Abend gab es den für Gewitternachmittag typischen grellen Sonnenuntergang. Eine Lichtstimmung zum Genießen mit einem Ausblick auf Schlüchtern, der für mich unvergesslich bleiben wird.
Was für ein Auftakt!
Nordrhön
Am Samstag führte Manfred eine Tour im Norden der Rhön. Aufgrund der späten Blüte und des dortigen kalten und trockenen Aprils versprach ich mir eigentlich nicht so sehr viel von der Tour. Aber wie immer, wenn man mit Manfred unterwegs ist, gab es Überraschungen und tolle Funde. Der Ausflug war mal wieder ein Volltreffer.
Neben den üblichen Verdächtigen im Wald zeigte er uns an einem Quellsumpf (der mittlerweile reichlich trocken ist) Natternzunge, Fettkraut und Mehlprimel.
In den trockeneren Ecken sahen wir dann unter anderem zwei Leinarten, sehr stattliche Fliegenragwurzvorkommen und am Waldrand sehr schöne voll aufgeblühte schwertblättrige Waldvöglein.
Zur botanischen Vielfalt gab es auch landschaftlichen Genuss: Ausblicke auf das Kegelspiel, die Hochrhön, den Thüringer Wald, Knüll und Vogelsberg – was will man mehr.
Thüringen
Direkt im Anschluss der Exkursion fuhr ich weiter in Richtung Thüringen. Ich hatte ein Hotel unweit des Wipperdurchbruchs gebucht. Als ich gegen 18:00 ankam, fand ich keine Rezeption, keinen offenen Eingang – nichts. An der Tür zum Hotel war ein Zettel mit einer Telefonnummer. Ich rief dort an, aber es meldete sich niemand. Auf die SMS reagierte auch niemand. Ich beschloss erstmal ins Biotop zu fahren, schließlich war noch für einige Zeit gutes Licht. Angekommen versuchte ich noch einmal mein Glück bei der Telefonnummer aus der Bestätigungsemail. Dort meldete sich jemand und fragte, wieso ich nicht im Restaurant nachgefragt hätte, dort hätte ich einchecken können. Das Restaurant hatte ich auf den ersten Blick gar nicht gefunden, aber gut – ich sagte, dass ich zunächst noch etwas spazieren würde und dann gegen 21:00 Uhr ankäme.
Auf dem Spaziergang fand ich dank einer etwas kruden Wegbeschreibung aber nicht den Weg zum gesuchten Biotop, sondern auf den Nachbarberg.
Nun gut… wieder O. mascula. Nach etwas Suchen fand ich auch dort dann auch noch richtig überquellende Wiesen. Erstaunlich, wie reich in Thüringen die Biotope sind.
Zwischen den Fliegenragwurzen, dem dreizähnigen Knabenkräutern und einem Teppich aus Hornklee war kaum noch Platz für Gras. Dazu dann auch wieder die Ausblicke und das spät abendliche, goldene Licht. Traumhaft!
Im schwindenden Licht fand ich auf dem Weg dann tatsächlich meine Zielart, die Hybride von dreizähnigem und Brandknabenkraut (Orchis x dietrichiana). Das Brandknabenkraut selbst sah ich vom Weg allerdings nicht und für eine Betretung des Gebiets fehlten mir die Stelzen. Dafür, dass ich auf die „falsche“ Wiese gelotst wurde, war das Ergebnis also durchaus sehr gut. Einigermaßen zufrieden fuhr ich dann zum „Hotel“.
Gegen 21:00 kam ich im Restaurant an und suchte eine Bedienung, was mir dann sogar gelang. War ein bisschen so, wie im Obi einen Berater zu finden: Schwierig, mit Hartnäckigkeit aber nicht ausgeschlossen. Ich sagte, dass ich einchecken wolle und ob ich auch noch etwas zu essen bekäme. Das Restaurant hatte ja schließlich bis 22:00 Uhr auf und wir hatten zu dem Zeitpunkt 21:10. Die Antwort war: nein, die Küche habe schon zu, zu essen bekäme ich nichts. Ich wurde dann gefragt, wann ich frühstücken wolle. Ich sagte: so früh wie möglich, am besten gegen 6:00 Uhr. Schließlich wollte ich noch gutes Licht mitbekommen. Auch hier bekam ich eine negative Antwort, dass das nicht ginge, denn sie würden erst um 8 aufmachen. Langsam fing es an, zu nerven. Ich fragte dann, wie ich denn auschecken solle, wenn es erst so spät Frühstück gäbe? Zunächst erntete ich ratlose Blicke. Dann fiel ihr ein, dass man auch gleich Abrechnen könne. Gesagt, versucht, versagt! Ihr Kartenlesegerät war nicht angeschlossen. Ich wartete eine halbe Stunde auf eine Lösung, bot zwischendrin sogar an, noch Bargeld zu holen, was sie aber nicht wollte. Während sie nebenher noch Gäste bediente, stand ich da und wartete. Schließlich führte sie mich zur Rezeption(!), die es also doch gab, die aber anscheinend nicht in Benutzung war. Dort gab es ein funktionierendes Kartenterminal und ich konnte auschecken.
Ich begab mich dann erschöpft auf mein Zimmer, das unglaublich eng und miefig war.
Ich entschloss mich also, noch einmal durchzulüften und hatte beim Versuch das Fenster zu öffnen den Fenstergriff samt Befestigungsschrauben in der Hand. Also habe ich den wieder hingefummelt und das Fenster eben zugelassen.
Nach einer kurzen Nacht stand ich auf und wollte duschen… naja, wen wunderts: das Wasser war eiskalt. Unangenehmerweise machte nach der Übernachtung im unbequemen Bett mein Nacken zu und ich konnte den Kopf kaum bewegen.
Wohlbemerkt: das Hotel ist nicht in Albanien in den 50ern, sondern in Deutschland im Internetzeitalter.
Hey Thüringer! Ihr habt so ein schönes Bundesland. Warum bekommt ihr da normalen Service nicht auf die Reihe? Unglaublich!
Am nächsten Morgen versuchte ich mich dann wieder am Wipperdurchbruch. Zunächst noch einmal mit der Wegbeschreibung meines Bekannten. Gleiches Ergebnis!
Glücklicherweise hatte ich das Buch „Orchideen-Wanderungen in Thüringen“ dabei. Der dortigen Beschreibung war gut zu folgen. Damit fand ich dann zu dem gesuchten Biotop. Sicherlich hätte ich es auch alleine gefunden, aber ich hatte mich auf die Wegbeschreibung verlassen und wollte nicht noch einmal suchen.
Die Magerrasen, die man dann oben vorfindet sind für Orchideenliebhaber dann aber so etwas wie das gelobte Land. Absoluter Wahnsinn, wie bunt und vielfältig die Ecke ist. Mehrere Stunden genoss ich die Pracht der blühenden Pflanzen, bis ich dann irgendwann genug hatte und zurück nach Nordhessen fuhr.
Nordhessen
In Nordhessen hatte ich den Auftrag, beim Frauenschuhmonitoring zu helfen. Ich suchte die Fundorte auf und zählte die Pflanzen.
Anschließend traf ich mich noch mit Bekannten in Hannoversch Münden. Wie konnte mir die Stadt bisher nur entgehen? Eine Fachwerkstadt vom Allerfeinsten. Dort gab es dann endlich auch was richtiges zu Essen. Selten hat eine Pizza so gut geschmeckt, wie nach zwei Tagen mit drei Brötchen, einem Apfel, vier Keksen und zwei Bananen.
Das Gasthaus in Nordhessen war dann das Kontrastprogramm zu dem Thüringer Hotel: guter Service, ich durfte später einchecken, als eigentlich möglich gewesen wäre. Ein Anruf und es war alles geritzt. Die Zimmer waren angemessen ohne Muff und Eiswasser. Dazu war es noch 12 Euro billiger als in Thüringen.
Morgens ging es weiter mit einer Exkursion in Nordhessen durch unser Top Orchis mascula Biotop. Wie jedes Jahr begrüßt einen hier ein purpurnes Blütenmeer. Das Gebiet besitzt auch einem traumhaften Ausblick über das Bergland. Die Führung von Frau Schröder-Hoffmann war wirklich super. Ich habe von ihr auch wirklich spannende, neue Hinweise zu Kartierungslücken bekommen. Nach der eher kurzen Tour kehrten wir noch im dortigen Lokal ein.
Nach der Exkursion fuhr ich dann mit Mathias noch zwei Biotope an, um Hummelragwurz zu suchen. Es ließen sich auch leicht Hummeln finden, leider aber auch Schnepfenragwurz und alles, was man sich an Zwischenformen ausdenken kann. Mir schwirrte ständig der Begriff Schnupfen- und Hustenragwurz durch den Kopf. Unbestimmbar, aber auf jeden Fall irgendwie krank!
Abgesehen von diesen seltsamen Funden, waren die Biotope beinahe genauso irre wie die in Thüringen.
Alles in allem ein Wochenende, dass sehr schön war, teilweise etwas frustriert und genervt hat und mich armen, alten Elch teilweise aber auch überforderte.
Fundliste:
Ophrys insectifera
Ophrys holoserica
Ophrys scolopax
Dactylorhiza majalis
Aceras anthropophorum
Orchis militaris
Orchis purpurea
Orchis ustulata
Orchis tridentata
Orchis mascula
Cypripedium calceolus
Listera ovata
Neottia nidus-avis
Corallorhiza trifida
Cephalanthera damasonium
Cephalanthera longifolia