Paradiese auf Zeit

Letzte Woche unternahm ich mit meiner Mutter einen Urlaub in den Alpen. Sie wollte gerne die Seiser Alm im Sommer sehen und ich wollte die Alm noch einmal vor der Errichtung der neuen Beschneiungsbecken sehen.

Anfahrt

Am ersten Tag fuhren wir nach Oberbayern. Eigentlich nur, um die Etappen erträglich lang zu halten. Bei bestem Wetter genoss ich abends noch eine Tour am Kochelsee. Ein Haubentaucher tauchte direkt am Ufer neben mir für mehrere Minuten. Ich konnte ihn auf der Bank sitzend beobachten. Leider hatte ich nur ein Weitwinkelobjektiv dabei. Aber man muss ja nicht immer alles fotografieren. Hier bekam ich auch schon einen Vorgeschmack auf die nächsten Tage: die Nässe hatte für reichlich Orchideenblüten gesorgt.

Schafberg

Der erste Ausflug führte uns auf den Schafberg. Der Schafberg ist einer der bekannten österreichischen Blumenberge, aber ich war etwas desillusioniert, denn es war zwar bunt und die Aussicht großartig, aber ich hatte es dort deutlich spektakulärer in Erinnerung. Dazu kam, dass wir den Abstieg von der Bergstation zur Station Schafbergalpe wohl etwas unterschätzt hatten und meine Mutter ziemliche Probleme hatte.

Eigentlich wollten wir dann in St. Wolfgang übernachten, aber irgendwie sagten mir die Unterkünfte bei booking nicht zu und so buchten wir im Hotel Wanderlust Rooms in Bad Goisern. Ein absoluter Glückstreffer! Ich habe mich ja eigentlich immer in Österreich wohlgefühlt und wurde immer gut untergebracht (vor allem, wenn Manfred die Touren geplant hat ;-)), aber diese Unterkunft war wirklich außergewöhnlich. Ein Hotel, wo man sich wirklich als Gast fühlt. Zu oft hat man ja das Gefühl, Kunde zu sein – hier fühlt man sich wirklich als Gast. Gerne wären wir länger dort geblieben.

Großglockner Hochalpenstraße

Die Reise ging weiter über die Großglockner Hochalpenstraße. Wir kamen ob der bunten Straßenränder und der übertrieben reichen Flora nicht aus dem Staunen raus. Alle Kurven waren dicht bewachsen von einem bunten Blütenmeer. Bei einer Pause an einem Seitenweg fanden wir eine Almwiese, die fast alles, was ich bisher gesehen habe übertraf. Der starke Wind machte zwar ein längeres Verweilen ungemütlich, aber es war schon ein tolles Erlebnis. Die Aussicht auf die Pasterze, den größten Gletscher Österreichs war dann sowohl beeindruckend, als auch etwas bedrückend. Angeblich hat der Gletscher über 200m an Mächtigkeit verloren.
Im beginnenden Regen konnte ich dann noch im Vorbeilaufen ein Murmeltier aus nächster Nähe fotografieren. Das Tier war fast so gelassen wie die Murmler am Forester Pass in den USA.

Osttirol

Das Wetter wurde am Folgetag dann absolut scheußlich. Irgendwie schaffe ich es wohl nicht, den Golzentipp mal trockenen Fußes zu begehen. Zunächst war ich auch etwas enttäuscht, weil die Vorjahre dann doch mehr los zu sein schien, aber das stellte sich als Trugschluss heraus. Wir waren lediglich eine Woche zu früh. Wir sahen Massen an Pseudorchis, Gymnadenia und Nigritella – leider Gymnadenia odoratissima noch knospig. Was mich allerdings etwas störte, war die Tatsache, dass die Alm doch für meinen Begriff stark besucht war und offenbar sehr viel für den Wintersport gemacht wird. Noch ätzender war das allerdings im Tal, wo man wegen des Biathlon-Leistungszentrums nicht mehr gut spazieren kann. Auffällig war außerdem, dass auch in den Alpen ein kolossales Baumsterben angefangen hat. Es ist irgendwie traurig zu sehen, wie die Natur stirbt, aber der Wintersport mit Kraft voran getrieben wird.

Über die Pässe

Über Valparola Pass und Pordoijoch fuhren wir zur Seiser Alm. Die Pässe boten eine überragende Pflanzenpracht, wie schon die Wiesen am Großglockner. Natürlich boten sie dazu auch die spektakulären Blicke in die Dolomiten. Meine Mutter war insbesondere vom hochalpinen Flair des Valparola Passes begeistert.

Seiser Alm

Die Seiser Alm hinterließ einen zwiespältigen Eindruck bei uns. Anders als in Deutschland oder Österreich interessierte sich niemand für Impfstatus oder Tests, dafür wurde kräftig in den Hotels gefeiert. Überhaupt erstaunlich, was dort an Touristenmassen unterwegs war. Vielleicht fiel es mir auch nur so auf, weil ich es nicht mehr gewohnt bin, aber es war schon echt viel Betrieb. Mein Hauptgrund, dort hin zu fahren, war natürlich, das Kohlröschenparadies noch einmal vor der Errichtung der neuen riesigen Wasserbecken für die Beschneiungsanlagen auf der Puflatschalm zu sehen. Mit welcher Brutalität hier wegen des Wintersports gegen die Natur gekämpft wird, ist schon frustrierend. Auch die leer gefressenen Pferdeweiden machen einen traurig. Und trotzdem: man muss immer wieder staunend inne halten und die Ausblicke und die (auch noch vorhandenen) bunten Wiesen bewundern. Unvergleichlich, was die Seiser Alm zu bieten hat. Immer noch!

Nicht vergessen will ich die nächtlichen Ausflüge zu den Kohlröschen für Fluoreszenz-Fotos. Manchmal frage ich mich, ob ich noch ganz dicht bin, nachts im strömenden Regen 300m aufzusteigen, um Fotos mit einem UV-Taschenlämpchen zu machen. Vermutlich habe ich wirklich einen Hau 😀

Rückfahrt

Mit gemischten Gefühlen fuhren wir zurück nach Bayern, um dort noch einmal zu übernachten. Der Pflichtbesuch bei den Sommer-Drehwurzen und den späten Brand-Knabenkräutern haben wir natürlich auch wahrgenommen. Immer wieder toll, die Biotope zu sehen. Tatsächlich hatten wir da auch jeweils ein kurzes Regenfenster.

Auf den bisherigen Touren durch die Alpen habe ich sicher nie so viele Kohlröschen gesehen wie dieses Mal. Sicher schon mehr Arten, aber nie so viele Individuen. Auch andere Orchideen, Lilien, oder generell bunte Wiesen habe ich nie in dem Reichtum wahr genommen. War schon schön!